Erich Harsch über Amazonisierung

Erich Harsch, Vorsitzender der dm-Geschäftsführung

Heute kommt an dieser Stelle der größte europäische Drogeriekonzern dm zu Wort. Der schob sich jüngst auf den ersten Platz im OC&C-Einzelhandelsindex. Und zwar vor Amazon. Da ich persönlich alles schätze, was der schleichenden Amazonisierung unserer Gesellschaften und der unterwürfigen Heldenverehrung eines Jeff Bezos Einhalt gebietet, hatte ich bei dm um ein Interview zu den Hintergründen nachhaltiger Markenführung gebeten. Und bekommen. Zwar nicht mit dm-Gründer und Grundeinkommen-Apologet Götz Werner. Sondern, nicht weniger großartig, mit dem Vorsitzenden der dm-Geschäftsführung Erich Harsch.

Konrad Buck: Viele geraten angesichts der aggressiven Expansion von Amazon in eine Art ehrfürchtiger Duldungsstarre. Warum ist das falsch?

Erich Harsch: Es ist immer falsch, sich lähmen zu lassen. Besser ist es, sich auf seine Stärken zu besinnen und daraus etwas zu machen, das die Kunden begeistert. Diese grundsätzliche Weisheit hat aber nichts mit Amazon zu tun, sondern sie gilt seit jeher und auch zukünftig im Wettbewerb um die Gunst der Kunden.

Konrad Buck: Ladengeschäfte von Zalando oder Amazon. – Lächerlich oder ernst zu nehmender Faktor?

Erich Harsch: Mitbewerber – gerade die beiden genannten – sind immer ernst zu nehmen. Und auch wir denken, dass stationärer Handel und Online-Handel in kombinierter Version ein Plus für die Kunden darstellen könnte.

Konrad Buck: Wer sind die dm-Partner, wenn es darum geht, Erscheinungen wie Dauer-Tracking, Full Self-Service oder App-Zwang durch bessere Umgangsformen mit Kunden zu ersetzen?

Erich Harsch: Die besten Partner sind unsere Kunden und unsere Kolleginnen und Kollegen in den dm-Märkten, denn sie spiegeln uns, was wir im Sinne des Kunden verbessern können.

Konrad Buck: Zum „Geiz ist geil“-Problem: Ab welchem Preis- bzw. Margenverfall muss man bei Mitbewerbern und Lieferanten bzgl. Produktions- und Arbeitsbedingungen deutlicher, schärfer werden? Welche Mittel stehen Ihnen hier überhaupt zur Verfügung?

Erich Harsch: Das ist eine wirklich schwierige Frage. Wir legen in den Verträgen mit unseren Partnern Wert darauf, dass unter menschengerechten und ethisch einwandfreien Bedingungen produziert wird. Speziell im Bereich der Industriemarken können wir darauf letztlich nur bedingt Einfluss nehmen, weil wir oft auch gar keine direkten Einblicke erhalten, da ja gerade die Produktionsprozesse oft und aus gutem Grund strikter Geheimhaltung unterliegen. Bei den Herstellerpartnern unserer dm-Marken haben wir mehr Möglichkeiten zu Einblicken und die nutzen wir auch. Die Vorstellung von vollumfänglichen Kontrollen durch einen Händler ist dennoch unrealistisch. Schon rein aus Ressourcengründen können das bei langen Produktionsketten und -prozessen immer nur Stichproben sein.

Konrad Buck: Ihre Definition für „Kunde“ im digitalen Zeitalter?

Erich Harsch: Auch im digitalen Zeitalter ist und bleibt der Kunde ein Mensch. Das wird oft vergessen in all den eher technisch geprägten Diskussionen. Technologien sind wichtig, weil sie Dinge ermöglichen, die vorher schlecht vorstellbar waren. Das gilt für die Bedürfnisse der Kunden angesichts der Möglichkeiten (und der rasant steigenden Informationsverfügbarkeit) genau so, wie für die Händler, diese Bedürfnisse noch besser aufzugreifen. Im digitalen Zeithalter wird die Erwartungshaltung der Kunden Omni-Channel-Retailing sein, und daran arbeiten wir als dm-drogerie markt.

Zur oben erwähnten Studie der Strategieberatungsgesellschaft OC&C geht es über https://occstrategy.de/de-de/insights/pqr/der-occ-einzelhandel-index-2017.